Freie Schulen Berlin: Demo und Bildungsdebatte gegen Kürzungen

„Für eine faire Finanzierung“, „Für eine bunte Bildungslandschaft“ diese und andere Slogans standen auf den Plakaten und Transparenten der mehr als 2.000 Demonstrierenden am 19. September 2023, vor dem Roten Rathaus. Das Aktionsbündnis der Freien Schulen Berlin hatte zu der Demonstration gegen die Unterfinanzierung aufgerufen und rund 30 Schulen waren mit Eltern, Pädagog*innen und Schüler*innen gekommen. Die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch erschien auf der Demonstration, um den Protestierenden die Streichung des Stichtags für die Berücksichtigung von Tariferhöhungen bei den Zuschüssen in Aussicht zu stellen.

Abends folgte dann eine Bildungsdebatte in der Evangelischen Schule Neukölln. Moderiert von Thorsten Wittke von Radio Paradiso kamen die Freien Schulen mit den Fraktionsvorsitzenden der Grünen – Bettina Jarasch, der CDU – Dirk Stettner und den Bildungspolitischen Sprecherinnen der Linken – Franziska Brychcy sowie der SPD – Maja Lasic ins Gespräch.

Der Gesamtkoordinator des Aktionszeitraums, Frank Olie, führte in das Thema ein und machte die derzeitige Situation deutlich: „Unsere Zuschüsse sind nach zwanzig Jahren erstmals zurückgegangen und gleichzeitig müssen wir gestiegene Kosten für Energie, Strom und die Inflation bewältigen. Wir brauchen jetzt schnell finanzielle Unterstützung und dann eine langfristige Lösung, die eine auskömmliche Finanzierung unserer 40.000 Schulplätze in Berlin sichert.“

Eine kurzfristige Erleichterung verspricht nun die Streichung des Stichtags, die alle anwesenden Politiker*innen bestätigten. Stettner sagte: „Wir werden nicht hinnehmen, dass die Freien Schulen, die mit den 93 Prozent sowieso zu gering ausgestattet sind, jetzt absolut noch weniger erhalten. Es wird hier einen Ausgleich geben. Keine Freie Schule muss Sorge haben, dass sie weniger Geld erhält als zuvor. Das können wir zusagen! Aber auch die Frage: Wie beteiligen wir Freie Schule an Programmen, die für staatliche Schulen gelten? werden wir diskutieren.“

Die Stichtagregelung wird gestrichen und damit müssen die Freien Träger, wie etwa die Evangelische Schulstiftung in der EKBO, die erwartete Tariferhöhung der Länder nicht für mindestens 13 Monate vorfinanzieren, denn danach wären diese erst in den Zuschüssen für 2025 wirksam geworden. Das wäre eine enorme zusätzliche finanzielle Belastung gewesen.

Die Notwendigkeit einer Systemänderung und die Chance, die die AGFS mit dem Vorschlag zum Kostenblattmodel eröffnet hat, wurden betont. Jarasch erklärte: „Ich möchte noch einmal betonen, dass die freien Schulen über zehn Prozent der Kinder aus Berlin beschulen und dass es vorwiegend die Kinder mit Inklusionsbedarf sind, die von den Freien Schulen beschult werden, da sie in öffentlichen Schulen gar kein Platz bekommen. Dass die Freien Schulen dafür keine zusätzliche Förderung bekommen, ist nicht fair und das muss geändert werden!“ Jarasch sprach sich auf für eine faire Finanzierungssystematik wie Frau Dr. Lasic aus.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen sprach sich zudem für die gleiche Förderung des sonderpädagogischen Bedarfs an staatlichen wie an Freien Schulen aus und meinte: „Deshalb muss die Lösung sein: Alle Schulplätze ausfinanzieren, das ist die Grundlage. Was anderes können wir uns in Berlin, wo so viele Schulplätze fehlen, auch gar nicht leisten.“ Für ein faires Finanzierungsmodell bedarf es aber einer Gesetzesänderung und das dauere etwas länger.

Auch der Abteilungsleiter des Trägers Tandem e.V. für die Schulsozialarbeit an der Evangelischen Schule Neukölln, Sascha Mase, kam zu Wort und betonte: „Im Berliner Schulgesetz, Paragraph 5b, steht: Jugendsozialarbeit gehört an Berliner Schulen. Es ist somit ein Gesetz! Das heißt, das Land Berlin, zu dem die Freien Schulen ja auch gehören, muss sich einmal überlegen, wie es dieses Gesetz auch finanziert!“

Lasic pflichtete ihm bei: „Zu überlegen ist, ob die jetzigen gemeinten vergleichbaren Personalkosten nicht auch anders ausgelegt werden könnten als zuvor, so dass tatsächlich auch die Sozialpädagogen, und die IT-Stellen miteinbezogen werden. Dazu braucht es auch keine Gesetzesänderung: Im Rahmen des geschriebenen Gesetztes kann man zu einem anderen Verständnis kommen, was „vergleichbare Personalkosten“ eigentlich meint und auch andere Stellen mit einbeziehen.“ Frank Olie erklärte darauf hin, dass die AGFS dazu bereits für die Ersatzschulzuschussverordnung (ESZV) einen Formulierungsvorschlag vorgelegt hätte.

Danach sprachen die Anwesenden über die sofortige Umsetzung von Zuschüssen für Inklusion und die bevorstehende Gesetzesänderung im nächsten Jahr. Die Bildungspolitische Sprecherin der SPD erklärte: „Kernaufgabe ist, dass wir gemeinsam den Blick in die Zukunft richten und klären, wie sieht eine gerechte Finanzierung im Freien Sektor aus?“ Sie sprach sich für ein Modell aus, das den Schulen einen gemeinsamen finanziellen Sockel bietet und darüber hinausgeschaut wird: Je inklusiver und je mehr sozial durchmischt, desto höher fallen die Zuschüsse aus.  Sehr viel Herzblut stecke bei ihr in der Entwickelung der Gesetzesänderung, die zusammen mit der AGFS erarbeitet wurde. Sie bedauerte auch, dass ein neues Schulgesetz bereits vor drei Jahren hätte vorliegen können – aber damals konnten sich die Parteien leider nicht einigen, so dass es nicht umgesetzt werden konnte.

Gespräche dafür sollen bereits in diesem Jahr beginnen, doch erst in 2024 greifen. Frank Olie: „Ich freue mich, dass die Stichtagregelung wegfallen wird. Aber das ist jetzt kein Geschenk für uns und kein Ausgleich für die sinkenden Zuschüsse, sondern das ist erst einmal die Basis dafür, dass wir unsere Lehrkräfte für gleiche Arbeit auch gleich vergüten können!“ Kritisch hinterfragte Olie, wie es denn nun 2024 und 2025 weitergehen soll: „Leben wir in den nächsten zwei Jahren weiter damit, dass Sonderpädagogik nicht finanziert wird? Leben wir weiter damit, dass es keinen Schulgeldersatz gibt für BUT? Leben wir weiter damit, dass es Personalkosten gibt, die nicht in das Modell passen? Und da sind, meiner Meinung nach, zwei Jahre einfach zu lang. Hier muss es unbedingt eine Brückenlösung geben!“

Brychcy lobte die Freien Schulen: „Wir haben 25.000 Schulplätze, die uns in Berlin aktuell fehlen, wir hatten schwere Krisen mit Corona und der Ukraine und es waren die Freien Schulen, die sehr unbürokratisch und schnell viele Willkommensklassen eingerichtet haben. Ohne die Freien Schulen hätten wir die geflüchteten Kinder gar nicht versorgen können.“ Sie kritisierte aber, dass in der jetzigen Regierung aus dem Haushalt sowohl die Energiezulage als auch das Geld für die Willkommemsklassen herausgestrichen wurden. 

Brychcy schlug als mittelfristige Lösung vor: „Die Koalition gibt gerade 80 Millionen Euro für ein Antigewaltpaket im kommenden Doppelhaushalt aus – dort sind aber nur 60 Schulsozialarbeiterstellen enthalten. Hier wäre es theoretisch denkbar, dass man den Topf öffnet für Schulsozialarbeit und Sonderpädagogischen Förderbedarf! Dies wäre durchaus möglich zu diskutieren.“

Einigkeit bestand aber in dem Punkt bei allen Politikern, dass letztlich nur eine langfristige Gesetzesänderung die Freien Schulen vor weiteren Sparmaßnahmen schützen kann – unabhängig von jeder kurz- oder mittelfristigen Lösung.

Der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO, Frank Olie, erklärt: „Ich bin mit dem heutigen Tag zufrieden. Die erstmalige Beteiligung am kommenden Berlin Tag und die Bezuschussung unserer Fort- und Weiterbildungsprogramme im laufenden Haushalt waren bereits erste positive Signale, dass wir als freie Träger in unserer engagierten Arbeit wahrgenommen werden. Mit der heutigen Zusage der Bildungssenatorin und der übrigen Fraktionen zur Abschaffung des Stichtags und unmittelbaren Berücksichtigung der Tarifabschlüsse für die Zuschüsse im Jahr 2024 können wir nun einen ersten großen Erfolg verbuchen. Dabei dürfen jedoch die weiteren Themen, die durch eine Verordnungs- oder Schulgesetzänderung zu regeln sind, nicht aus den Augen verloren gehen und müssen noch in diesem Jahr angegangen werden.“

Alle Bilder: ©Frank Wölffing

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