Bedford-Strohm besuchte die Evangelische Schule Neukölln

Der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, besuchte am 19. April 2024 die Evangelische Schule Neukölln. Dort kam der Theologe, der bis 2021 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland war, mit den Schüler*innen ins Gespräch. Begleitet wurde er von Regisseur und Kulturmanager Günter Jeschonnek, der diesen Termin initiierte und das Gespräch moderierte. Die rund 40 Schüler*innen des elften und zwölften Jahrgangs stellten nach einer kurzen Vorstellungsrunde ihre teilweise sehr persönlichen Fragen.


Bedford-Strohm erzählt den Schüler*innen von seiner Kindheit in einer bayerischen Pfarrerfamilie, von seinem abgebrochenen Jurastudium und dem Entschluss Theologie zu studieren, um Worten wie „Gerechtigkeit“ ethisch näher nachzuspüren.

Agsha will wissen: „Zweifeln Sie eigentlich manchmal auch an Ihrem Glauben, Herr Bedford-Strohm, und wenn ja – in welchen Momenten?“ Bedford-Strohm erklärt: „Was heißt Glauben? Zweifeln ist auch Glauben. In der biblischen Geschichte von Hiob erlebt dieser, dass Erfahrungen des Leidens nicht auf schlechtes Tun zurückzuführen sind. Aber er erkennt auch: Ich brauche Gott als Gegenüber, dann kann ich auch zweifeln und seine Hilfe einfordern! Auch ich zweifle an Vielem, was in der Welt geschieht, aber nicht gegen Gott – ich zweifle mit ihm!“

Dann berichtet Bedford-Strohm von seinem Engagement in der Flüchtlingshilfe und seinem Ringen um einen Dialog der Religionen. Arda fragt, welches Gottesbild und welche religiöse Ethik dahinter steht. Der Vorsitzende des Weltkirchenrats antwortete mit einem Satz Jesu aus dem Matthäusevangelium: „Was Ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan.“ Wenn Menschen anderen, die in Not sind, helfen, dann begegnen sie Christus selbst in diesen – so Bedford-Strohm. „Wir müssen würdig mit Menschen umgehen. Das heißt auch, man lässt keinen Menschen im Mittelmeer ertrinken. Darum unterstütze ich United4Rescue“. Mittlerweile hätten sich hier mehr als 911 Organisationen zusammengeschlossen. Drei von United4Rescue unterstützte Schiffe retten Flüchtlinge vor dem Ertrinken. „Das heißt nicht, dass wir nicht trotzdem Themen wie Aufenthaltsrecht diskutieren müssen, aber in erster Linie müssen wir helfen“, meint der Wahl-Mecklenburger.

„Und wie stehen Sie dann zu dem Rechtsruck und der hohen Zustimmung zur AFD?“ – fragt, Liv. Der ehemalige Landesbischof Bayerns sagt: „Ich möchte in mein persönlichen Glück das Glück der Anderen mit hineinnehmen. Ich möchte mich für Toleranz, Vielfalt und Demokratie engagieren. Die AFD propagiert ein menschenfeindliches Weltbild. Ihre Parolen sind von Kälte und Verachtung geprägt.“ Und ergänzt: „Die AFD reproduziert alte Nazi-Ideologien. Diese Partei ist keine Alternative – sie ist menschenverachtend!“

Jette und Samira möchten wissen: „Was ließe sich aus Ihrer Sicht in der Evangelischen Kirche verbessern? Was sind die größten Herausforderungen?“ Darauf meint Bedford-Strohm, dass ihm der sexuelle Missbrauch in der Kirche am meisten am Herzen liege: „Präventionsschulungen in den Gemeinden sind wichtig und auch die ForuM-Studie, denn als Kirche ist unsere moralische Fallhöhe am größten und es ist furchtbar, wenn, teilweise religiös begründet, Menschen ausgenutzt, missbraucht und in der Seele zerstört würden. Grundsätzlich gilt: Wir müssen inklusiver werden und Geschehenes gemeinsam aufarbeiten. Eine weitere Herausforderung ist die Frage, wie wir wieder mehr junge Menschen für die Evangelische Kirche begeistern. Die Wahl der zu diesem Zeitpunkt 25-jährigen Anna-Nicole Heinrich zur Präses der EKD-Synode war dabei ein sehr wichtiger Schritt!“

Arda fragt: „Wie stehen Sie zum Dialog der Religionen?“ Bedford-Strohm erzählt, dass er jährlich einen Empfang der Religionen organisiert habe und meint: „Wir müssen das einseitig negative Bild, das Viele mit dem Islam verbinden, überwinden, und das geht nur über persönliche menschliche Begegnungen. Miteinander reden und sich persönlich begegnen – nur das fördert das gegenseitige Verständnis.“ Bei ihm führte dies auch zu einer persönlichen Freundschaft, erzählt er den Schüler*innen – beispielsweise mit dem Imam Benjamin Idriz. „Nur mit menschlichen Begegnungen lassen sich Vorurteile durchbrechen – und wir als evangelische Kirche müssen da voran gehen.“

Der Bezirk Neukölln ist sozial und kulturell sehr divers – hier erhalten etwa 90 Prozent der Bewohner*innen staatliche Transferleistungen wie das Bürgergeld. Auch an der Evangelischen Schule Neukölln lernen Schüler*innen mit verschiedenen religiösen oder migrantischen Wurzeln. Rund 43 Prozent bezeichnen sich als konfessionslos, 43 Prozent als evangelisch und rund zehn Prozent sind islamischen Glaubens. Rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen ist nicht deutscher Herkunft. Vor diesem Hintergrund fragt Felicia: „Warum sind Sie ausgerechnet nach Neukölln gekommen?“ Bedford-Strohm antwortet: „Ihr seid das beste Beispiel für Menschen mit verschiedenen Hintergründen. Wenn Ihr gut miteinander auskommt, dann ist das ein Zeichen der Hoffnung, der mich auch in meinem Tun bestärkt.“

Dann fragt Bedford-Strohm die Schüler*innen: „Was macht für Euch den evangelischen Geist dieser Schule aus?“ Einige der Antwortenden sind konfessionslos oder Muslime. Doch sie sind sich einig: Das tiefe Gefühl der „Verbundenheit, wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern“, „der Zusammenhalt in der Schulgemeinde“ und die „friedliche und gute Stimmung“ – das sind einige der Antworten.

Im Anschluss nahmen Heinrich Bedford-Strohm und Günter Jeschonnek an einer Führung durch die Schule mit dem Schulleiter Thorsten Knauer-Huckauf gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Schulträgerin, der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO, Frank Olie, teil.

Alle Bilder: Christoph Eckelt/Bildmitte

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