Domgymnasium begleitet Verlegung von Stolpersteinen
Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Gymnasiums am Dom zu Brandenburg begleiteten am 9. September 2022 mit ihren Fachlehrern die Verlegung von vier Stolpersteinen im nahen Umfeld der Schule.
Klaus-Christoph Clavée, Präsident des Oberlandesgerichts und Vorsitzender der Brandenburgischen Juristischen Gesellschaft, referierte über das Schicksal von Sally Cohn und Bernhard Meyer, deren Leben durch die Nationalsozialisten systematisch zerstört wurden. Für Grete Cohn spendete der Rotary Club Brandenburg an der Havel, vertreten durch Pastpräsidentin und Rechtsanwältin Dr. Tamara Große-Boymann, einen Stolperstein. Die Patenschaft für einen Stolperstein in Gedenken an Wally Lesser übernahm Oberbürgermeister Steffen Scheller. Wally Lesser lebte in unmittelbarer Nachbarschaft zum Domgymnasium an ihrer letzten freiwillig gewählten Wohnanschrift Domlinden 5. Sie konnte 1940 ihr Leben durch Flucht nach Shanghai vor den Nazis retten, verstarb jedoch schon ein Jahr später an einer Blutvergiftung.
Das Leben von Wally Lesser hat eine besondere Bedeutung für das Evangelische Gymnasium gewonnen. Die Enkelin Margaret Lesser Bach und die anderen Familiennachfahren regten die Verlegung von drei Stolpersteinen für ihre Vorfahren an. Viele Jahre erforschte die Familie deren Schicksal. Nun erfuhren über 20 Familienmitglieder, wie die junge Brandenburgerin Annekathrin Hill viele Details zu den selbst gewonnen Erkenntnissen hinzufügen konnte. Die ehemalige Domgymnasiastin sammelte alle Adressen der Familie seit der Übersiedlung von Posen nach Brandenburg im Jahr 1921. Etliche Urkunden und auch Geburtsanzeigen konnte sie ausfindig machen und der Familie als wichtige Dokumentation überreichen. Die Erforschung des Familienschicksals geht für Annekathrin weiter. Erst jüngst hat sie Belege gefunden, dass Wally Lesser versuchte, ihren gesamten Hausstand nach Shanghai auszuführen.
Olaf Gründel, Schuldirektor des Domgymnasiums, ist voller Anerkennung: „Annekathrin Hill hatte 2014 ihr Abitur an unserer Schule mit ihren Leistungskursen in Geschichte, Englisch, Mathematik, Chemie und Deutsch sehr erfolgreich abgeschlossen.“ Anschließend studierte sie Geschichte an der Humboldt-Universität und arbeitet seit gut einem Jahr als wissenschaftliche Volontärin am Stadtmuseum ihrer Heimatstadt. Hier hatte sie maßgeblich das Leben von Wally Lesser weiter beforscht und eine kleine Ausstellung im Stadtmuseum im Frey Haus konzipiert. Das Domgymnasium stellt für diese Exposition ein maßstabgetreues Modell der zerstörten Synagoge von Brandenburg an der Havel zur Verfügung.
Gründel erklärt: „Als Historiker kann ich mir ein Urteil über die besonderen Leistungen und Verdienste von Annekathrin Hill erlauben. Ihre Ausstellung fand nicht nur unter den geladenen Gästen der Ausstellungseröffnung große Anerkennung, sondern wird die nächsten Wochen viele Brandenburgerinnen und Brandenburger beschämen und stark berühren.“
Zusammenfassend stellt Olaf Gründel fest: „Bei diesem wichtigen Projekt konnte unsere Schule einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten. Für die Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Brandenburg an der Havel und dem Historischen Verein Brandenburg an der Havel möchte ich mich herzlich bedanken. Ich wünsche mir, dass diese Kooperationen mit Beständigkeit weiterwachsen und unsere Schülerinnen und Schüler darin auch in Zukunft einen Mehrwert für ihre Bildung erfahren.“