Richtiges Streiten kann man lernen – 25 Jahre Konfliktlots*innen-Arbeit in der Evangelischen Schulstiftung
Streit und Meinungsverschiedenheiten gibt es an allen Schulen – auch an den 36 Schulen der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO. Doch seit mehr als 25 Jahren läuft hier ein Konzept, das Schüler*innen befähigt mit diesen Herausforderungen besser umzugehen und sich in deren Klärung zu üben. In diesem Jahr feiert die Konfliktlots*innen-Arbeit ihr 25-jähriges Bestehen.
Diese Lots*innen sind an nahezu allen Berliner und Brandenburger Schulen aktiv. Die Schüler*innen lernen dafür die Grundlagen der Mediation und der gewaltfreien Kommunikation. Mit ihrem Engagement tragen sie präventiv und aktiv zum Schulfrieden bei. Gleichzeitig schulen sich die Schüler*innen im konstruktiven Umgang und der Beilegung von Konflikten. Diese Arbeit wird maßgeblich von den Mediatorinnen der Schulstiftung koordiniert, Cordula Siebers-Koch und Bianca Feder. Hier schildern sie die Herausforderungen, die Bedeutung und die Grenzen ihrer Arbeit.
An der Evangelischen Schule Pankow findet heute das regelmäßige Treffen der 16 Konfliktlots*innen mit ihren Betreuerinnen Sylvia Janitzky und Ute Broscheit statt. Die Schüler*innen im Alter von 9 bis 12 Jahren tauschen sich mit den Lehrerinnen über Konflikte aus, die sie in dieser Woche erlebt und begleitet haben und überlegen gemeinsam, was sich gut regeln und auch, was sich verbessern ließe. Die beiden Pädagoginnen organisieren die Arbeit der Konfliktlots*innen an der Schule, planen ihre Pauseneinsätze und sind Ansprechpartner, wenn die Konfliktlots*innen in den Streitfällen Unterstützung benötigen. Dazu haben die beiden Lehrerinnen selbst eine etwa 80-stündige Ausbildung zur Schulmediatorin bei der Schulstiftung absolviert, in der sie ganz praktisch den Umgang mit Konflikten und schwierigen Gesprächssituationen im Schulalltag erlernen konnten.

Rund 250 Konfliktlots*innen sind derzeit an den 36 Schulen der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO im Einsatz. In regelmäßigen Schulungen lernen sie die Grundlagen und den Ablauf eines Konfliktklärungsgesprächs. Bei den einmal jährlich stattfindenden regionalen Treffen tauschen sich die Schüler*innen über ihre Arbeit mit Konfliktlots*innen anderer Schulen aus und üben sich gemeinsam in kniffligen Streitsituationen. Am Evangelischen Gymnasium in Cottbus läuft seit vielen Jahren ein Mediationsprojekt*, das alle Schüler*innen ab der 7. Klassenstufe durchlaufen und sie in speziellen Fortbildungen und Unterrichtseinheiten zu Mediator*innen ausbildet. Dabei lernen Schüler*innen nicht nur von professionellen Mediator*innen, sondern klassenübergreifend auch voneinander. Mit dem Abitur erhalten die Schüler*innen dann sogar ein anerkanntes Mediations-Zertifikat. Das Projekt ist Teil des Programms Chancenpatenschaften, das durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.

Die Mediation ist zutiefst christlich und prägt seit 25 Jahren das Leitbild der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO. Der Schulalltag wird vor allem über die Kommunikation und den Umgang miteinander bestimmt. Schüler*innen zeigen genauso wie Pädagog*innen, ob und wie sie sich wertgeschätzt und respektiert fühlen. Das kann zu Missverständnissen bis hin zu Konflikten führen. Genau hier setzt die Konfliktlots*innen-Arbeit an. Grundlage dieser Arbeit ist die Methode der Mediation. Ihre Werte, ihre Grundhaltung und ihre strukturierte Form der Konfliktklärung sind in einer christlichen Gemeinschaft genau richtig aufgehoben. Die mediative Haltung kennzeichnet, dass sie besonders auf die Gefühle und Bedürfnisse der Menschen eingeht und sie somit für die Beilegung ihres Streits öffnet. Um eine Konfliktklärung in dieser Form sicher begleiten zu können, erlernen die Schüler*innen in der Ausbildung ganz praktisch das mediative Handwerkszeug wie Aktives Zuhören, Spiegeln, Perspektivwechsel, Annehmen unterschiedlicher Wahrheiten und andere Techniken.

Fotos: Frank Wölffing
Die Mediationsbeauftragte Cordula Siebers-Koch erklärt: „Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass sich dieser mediative Umgang mit alltäglichen Konflikten und ein gut funktionierendes Konfliktlotsensystem an unseren Schulen, sehr positiv auf das Schulklima auswirkt. Über ihre täglichen Einsätze leben die Schulkonfliktlots*innen die mediativen Prinzipien von Wertschätzung, Respekt, Fairness und Autonomie den anderen Mitgliedern der Schulgemeinschaft vor. Sie haben eine Vorbildfunktion für alle anderen.“
Das Konzept der Evangelischen Schulstiftung sieht vor, dass schon Schüler*innen der Grundschule ab der dritten oder vierten Klasse die Aufgaben von Streitschlichtern übernehmen und die Kinder neben der Stärkung ihrer Sozialkompetenz so schon ganz früh lernen, eigenverantwortlich Konflikte und Streits zu klären. Siebers-Koch meint: “Damit die Mediations- und Konfliktlotsenarbeit gelingt, bedarf es des Einsatzes der gesamten Schulgemeinschaft und die Bereitschaft, personelle und zeitliche Ressourcen zu investieren, was in der heutigen Zeit nicht einfach zu leisten ist. Ohne dieses Engagement würde dieses System nicht so gut funktionieren. Das bedeutet viel Überzeugungsarbeit an den Schulen. Aber die 25 Jahre Konfliktlotsenarbeit in der Schulstiftung zeigen, dass sich der Einsatz lohnt, denn neben dem achtsamen Umgang im Schulalltag lernen die Schüler*innen wichtige soziale Kompetenzen für ihr ganzes Leben und tragen somit sicher zu einem friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft bei.”
*Das Mediationsprojekt in Cottbus ist Teil des Progamms Chancenpatenschaften.




